Ich möchte Ihnen hier kurz meine Geschichte und die meiner Familie erzählen.
Das Wichtigste zuerst: Mein Sohn Ali und meine Frau Sima sind in Sicherheit, nach sieben Jahren Trennung sind wir nun seit April dieses Jahres endlich wieder zusammen.
Ich bin in einem Dorf im afghanischen Bezirk Jaghori aufgewachsen. Wir hatten eine kleine Landwirtschaft in der ich mit meinen Eltern lange gearbeitet habe. Als die Sicherheitslage in unserer Provinz zunehmend heikler wurde, bin ich 2003 zum ersten Mal in den Iran geflüchtet. Ich habe dort in einer Kunststofffabrik und in einem Steinbruch gearbeitet. Ohne Papiere, 12 Stunden am Tag und schlecht bezahlt. Leider ist es im Iran nahezu unmöglich Arbeitspapiere und einen gesicherten Aufenthaltsstatus zu erhalten. Wir Afghanen sind dort ständiger Diskriminierung ausgesetzt und jederzeit von Abschiebung bedroht. Aber auch in Afghanistan war und ist unsere Volksgruppe der Hazara ethnischer und religiöser Verfolgung ausgesetzt. Unser Dorf wurde in den letzten Jahren mehrmals angegriffen.
2007 bin ich nach einer monatelangen Flucht über die Türkei und Griechenland nach Österreich gekommen, wurde aber sogleich in Schubhaft genommen und über ein Dublinverfahren zurück nach Griechenland gebracht. Fünf Jahre war ich danach in Griechenland, zwei Jahre davon obdachlos. Mein Ansuchen um internationalen Schutz wurde nie beantwortet. Es war eine sehr schwere Zeit für mich, in der ich zeitweise alle Hoffnung und Lebensenergie verloren hatte. Private Personen und kirchliche Organisationen haben mir geholfen diese schwere Zeit zu überstehen.
2012 bin ich nach Afghanistan zurückgekehrt, in Griechenland gab es ja keine Aussicht auf einen weiteren legalen Aufenthalt und ich hatte die trügerische Hoffnung, dass die Situation für uns in Afghanistan etwas sicherer würde. Im April 2012 habe ich Sima geheiratet und im Mai 2013 ist unser Sohn Ali geboren. 2014 bin ich während des Ramadan abermals mit radikalen Gruppen in einen lebensgefährlichen Konflikt geraten und musste Hals über Kopf fliehen. Ich hatte keine Zeit die Flucht vorzubereiten, meine Frau und mein kleiner Sohn mussten zurückbleiben; zu groß war die akute Gefahr und zu gefährlich eine unvorbereitete Flucht für die beiden. Es war fürchterlich sie zurücklassen zu müssen, und es hat sieben lange Jahre gedauert, bis es mir gelungen ist, auch sie in Sicherheit zu bringen.
Im Iran musste ich mir, nun wieder illegalisiert, mühsam über ein Jahr Geld für die weitere Flucht erarbeiten. Mein einziges Ziel war: Sicherheit für mich und meine Familie, dafür musste ich oft mein Leben riskieren. Das Gebiet zwischen dem Iran und der Türkei ist besonders gefährlich: tagelange Fußmärsche über Berge, an der Grenze wird manchmal auf Flüchtende geschossen. Eine der vielen Grenzen konnte ich beispielsweise nur im Fahrgestell eines LKWs eingekeilt passieren, 36 Stunden ohne Nahrung und Flüssigkeit.
Ende 2015 stellte ich einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich. Bis heute verstehe ich nicht, weshalb ich erst nach mehreren Beschwerden 2020 Asyl erhalten habe. An meinen Asylgründen hat sich ja nichts geändert. In der ganzen Zeit war meine Familie in Afghanistan immer wieder Angriffen radikaler Gruppen ausgesetzt und öfters in akuter Lebensgefahr. Sie mussten sich verstecken und mein Sohn hatte daher nie die Schule besuchen können.
Jetzt bin ich nur froh und dankbar, dass wir endlich zusammen sind. Ali besucht zum ersten Mal eine Schule und meine Frau einen Deutschkurs. Ich selbst habe endlich eine Arbeitserlaubnis und auch schon eine Arbeit gefunden. Noch wohnen wir in einer winzigen Einzimmerwohnung, aber ich hoffe bald eine Lehrstelle als Koch zu finden und nach abgeschlossener Lehre genügend Geld zu verdienen um in eine etwas größere Wohnung zu wechseln. Sima will so rasch wie möglich Deutsch lernen um eine Arbeit zu finden und selbständig Geld zu verdienen. Alis großer Traum ist es einmal Polizist zu werden, die sind in seinen Augen stark und können die Familie beschützen - etwas was sie in Afghanistan nie konnten.Hamid,
Wien 2021